Pulverfass Nahost vor dem Hintergrund des ägyptischen Massenaufstands

Bevor man sich der angedeuteten Fragestellung zuwendet, sollte man zunächst einmal festhalten, dass es gefährlich ist, die vermeintliche Revolution als „anti-westlich“ einzuschätzen. Das habe ich aus diversen Kommentaren, natürlich insbesondere bei Mainstream-Medien heraus gelesen und halte es mindestens für absichtliche Augenwischerei. Ganz unabhängig davon, ob nun etwas dran ist an den „Wikileaks-Behauptungen“, der „Regime-Change“ sei von den US-Amerikanern bereits seit 2008 vorbereitet worden, muss man schlicht und ergreifend die „wirtschaftlichen Konsequenzen“ im Auge behalten, die einer eventuell eintretenden vollständigen Eskalation der Geschehnisse so sicher folgen würden wie das berüchtigte „Amen in der Kirche“ (vor allem in Sachen Erdöl!). Gerade die glorreiche USraelische Staats- und Militärgeschichte sowie deren Auswirkung auf die „Rohstoffmärkte der Welt“ sollten als symbolisch mahnend erhobener Zeigefinger in Erinnerung gerufen werden.

Insofern ist es meiner Ansicht nach nicht nur voreilig, sondern vor allem kontraproduktiv, mit seinem Denken und Argumentieren auf dieselbe Linie einzuschwenken, die auch von den westlichen „Qualitätsmedien“ verfolgt wird. Man kann derzeit nur beobachten und versuchen, die nach und nach zum Vorschein kommenden Fakten im Zusammenhang mit der geopolitischen Entwicklung zu analysieren. Dazu muss man auch angesichts dessen dringend raten, was ich nachfolgend als Meinungsäußerung nach dem bewährten Muster der eingebetteten Leseempfehlungen von meiner Rundreise durchs Internet zum Besten geben möchte.

Außerdem weise ich auch noch darauf hin, dass es in diesem Artikel mitnichten nur um das Thema geht, welches der Titel des Beitrags umreißt!

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Vorausschicken muss und sollte man, dass Ägyptens Regime, genau wie die gestürzte Ben Ali-Regierung in Tunesien und andere „verdiente“ Partner der westlichen Welt in der Region, über Jahrzehnte durch die USA und die „Führungsnationen der EU“ mit allem versorgt wurde, was es zur Unterdrückung der eigenen Bevölkerung und für die „Gewährleistung einer pro-westlichen Stabilität“ benötigte. Darüber, dass der Westen (nur in erster Linie die USA, aber die europäischen Partner darf man im „Imperium USrael“ ohnehin bestenfalls als Geschäftsführungen willfähriger Satellitenstaaten betrachten!) absolut keine Probleme mit Diktatoren aller Schattierungen hatte, solange diese nur nach seiner Pfeife tanzten und die in sie gesetzten Erwartungen erfüllten. – Eine anschauliche und dennoch leserfreundlich kurze Übersicht darüber habe ich auf der Webseite Direkte Aktion gefunden (=> Klick und Klick).

Daneben empfehle ich auch eine vierseitige Zusammenfassung der Ereignisse bei süddeutsche.de (=> Klick) und möchte Ihre geschätzte Aufmerksamkeit vor allem auf die letzten Absätze auf der vierten Seite richten, in denen ein „50-jähriges Mitglied des ägyptischen Mittelstandes“ zu Wort kommt. Die „Ängste und Sorgen“ dieses Herrn, der zwar selbst gerne und heftig auf das Regime Mubaraks schimpft, aber zum Schutz „seiner Werte“ lieber auf dessen (vermeintlich durch den im Sinne des Kapitals erzogenen „Sohnemann“ fortzuführenden) Umgang mit den „Nichtprivilegierten“ bauen als einer neuen, eventuell auch deren Interessen vertretenden Regierung vertrauen würde, ist schon sehr westlich und könnte zweifelsohne ebenso gut der Kommentar eines in Berlin, Paris, London oder New York lebenden Artgenossen sein. Das führe ich hier nur mit besonderer Betonung an, weil dieses „Mittelstands-Denken“ definitiv eine westliche Errungenschaft und ebenso unbestreitbar ein gravierendes Problem des herrschenden „Werte“-Systems darstellt.

Kommen wir kurz noch einmal zu der Spekulation zurück, dass die „Revolutionen“ von Tunesien, Ägypten und im Jemen das westliche Macht- und Interessensystem ernsthaft gefährden könnten. Dazu hat Jason Ditz einen interessanten Artikel auf der Seite antiwar.com verfasst (=> Klick), der bei antikrieg.com auch in Deutsch veröffentlicht wurde (=> Klick). Er beleuchtet meiner Ansicht nach einen zentralen Aspekt der gesamten Situation sehr klar, der zurzeit sicherlich einen breiten Raum in den Überlegungen der „gewählten Entscheidungsträger der westlichen Demokratien“ – mehr aber noch bei den transnationalen oder globalistischen Strippenziehern, an deren langer Leine sie über die Bühne machtpolitischer Eitelkeiten torkeln, einnehmen dürfte! – Besonders infam nenne ich es, wenn sich „führende Vertreter dieser Volksverräter-Kaste“ in aller Öffentlichkeit hinstellen und … ich zitierte hier mal frei nach europeonline-magazine.eu (Klick) … solche Forderungen aufzustellen wagen …

Die Menschenrechte und demokratischen Freiheiten müssten voll respektiert werden, einschließlich der Meinungsfreiheit und der freien Nutzung von Kommunikationsmitteln wie Telefon und Internet sowie der Versammlungsfreiheit […]

… während sie selbst in ihren Ländern munter an allen „freiheitlich-demokratischen“ Bürgerrechten (nicht zuletzt der Versammlungsfreiheit) sägen und mit Hilfe eines verlogenen Vertrags, der 95 Prozent der demokratisch abgelehnten „EU-Verfassung“ repräsentiert, am finalen Aufbau einer mindestens ebenso verachtenswerten Diktatur arbeiten. – Deshalb kann man Freeman auch nur zustimmen, wenn er anprangert, dass Obama Mubarak Ratschläge erteilt, an die er sich selbst nicht zu halten bereit ist (=> Klick). Den (deutschsprachigen) Schluss-Satz muss man deshalb doppelt und dreifach fett unterstreichen, aber eben auch an die Adresse der Damen und Herrn Merkel, Ashton, Sarkozy, Cameron und Konsorten richten:

Diese Doppelmoral und Heuchelei ist zum Kotzen.

Das könnte man zweifelsohne noch etwas ausschmücken, aber ich denke, diese Feststellung bringt die Sache durchaus zufriedenstellend auf den Punkt.

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Der Diktator selbst trifft nunmehr eigene Vorbereitungen für eine mögliche Nachfolge und ist dabei sichtlich um Kontinuität bemüht. Besser kann man es wahrscheinlich nicht erklären, dass er den „bei den Israelis und in den USA gern gesehenen“, und häufig als Vermittler zwischen den verfeindeten palästinensischen Führungsparteien auftretenden Geheimdienstchef Omar Suleiman zum Vizepräsidenten ernannte. – Daniel Neun von Radio Utopie scheint das auch zu sehen und kann diesen Standpunkt mittels Rückgriff auf ein interessantes Interview auch weiterführend belegen (=> Klick). Durch diese Wahl und vor dem Hintergrund der wohlwollenden Anerkennung des Herrn Suleiman seitens Israel und USA kann man wohl davon ausgehen, dass diese Konstellation für den Fall des Falles von allen relevanten Parteien als vorteilhaft im Sinne einer Bewahrung der bevorzugten Instabilität angesehen würde.

Wie Mubarak darüber hinaus mit den Problemen umzugehen gedenkt, wird in diesem Artikel von FAZ.net angenehm neutral dargestellt (auch die Appelle der westlichen Pseudo-Demokraten kommen darin nochmals zum Ausdruck) (=> Klick). Die bereits eingesetzte und in Punkto Internet meines Wissens immer noch vollumfänglich aufrechterhaltene Kommunikationsunterbindung wird nun auch noch durch das Verhängen eines Verbots von Al Jazzera (=> Klick, alternative Informationsquelle) ergänzt, was doch schon weit mehr als nur ein wenig nach Zensur stinkt.  – Und auch hier nochmals der mahnende Hinweis darauf, dass „unsere westlichen Demokratien“ im Zweifelsfalle die längst fertig in den Schubladen liegenden „Notfall-Pläne“ hervorholen und dieses Mittel gegen uns gerade so aufbieten würden.

Interessant dürfte sein, wie das Militär – von dem Mubarak im Moment anscheinend glaubt, dass er sich auf seine Loyalität uneingeschränkt verlassen könne – sich letztendlich wirklich positioniert. Im  Augenblick scheint bei den Soldaten das Interesse, auf Befehl des so gut wie erledigten Diktators aufs eigene Volk zu schießen, jedenfalls nicht sonderlich groß zu sein. Und selbstverständlich sollte man hoffen, dass es nicht nur in Ägypten so bleibt, zumal dort so oder so schon zu viele Tote zu beklagen sind …

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Die im vorletzten Abschnitt angesprochene Doppelmoral und Scheinheiligkeit liefert auch die perfekte Überleitung zum themenbezogenen Schlussakkord meiner Meinungsäußerung, der voll und ganz dem Regime zugedacht sein soll, dass sich angesichts der Unruhen in Nordafrika jetzt natürlich wieder einmal in der Rolle des potentiell besonders gefährdeten Unschuldslammes zu positionieren versucht!

So kann es natürlich nicht verwundern, dass die mächtigste und unter dem Deckmantel westlicher Wertekultur besonders rigoros auftretende Diktatur im Nahen Osten, die sich selbst mit wachsender Begeisterung (aber auch im zunehmend unerträglicher werdenden Widerspruch zu ihrer Politik) als „einzige Demokratie“ im Nahen Osten feiern lässt, besonders „besorgt“ auf die Entwicklungen schaut. Während die Verantwortlichen vor Ort sich nach außen hin (noch) lässig und auf alles vorbereitet zu zeigen versuchen, sind ihre verlängerten Arme und Sprachrohre in den besagten, einzig und allein der globalen Agenda verpflichteten Satellitenstaaten umso mehr um „klare Verhältnisse“ und das gewohnte Meinungs- und Definitions-Monopol bemüht.

Dass der Zentralrat der Juden in Deutschland – auch unter neuer Führung – da nicht zurückstehen will, sondern seiner offensichtlich einzigen Aufgabe vollumfänglich gerecht zu werden versucht, ist noch viel weniger überraschend (=> Klick). Diese „Warnung“ macht in der Tat mehr als alles andere, was man derzeit in den westlichen Medien lesen und hören kann, deutlich, dass es bei dieser Angelegenheit lediglich darum geht, ein Umschlagen der bislang durch Israel und seine westlichen Verbündeten verursachten und kontrollierten Instabilität der Region in eine, die von den erklärten Gegnern ihrer Politik der gezielt geschürten Spannungen dominiert würde, zu verhindern.

Wenn er damit auch ganz sicher einen anderen Zweck verfolgt, bestätigt das auch Peter Münch (Tel Aviv) in seinem am Freitag bei süddeutsche.de erschienen Artikel „Israel und die arabische Welt: Das Echo der Revolution“ (=> Klick). Er bringt das einleitend wie folgt auf den Punkt und repräsentiert damit fraglos die „vorherrschende Meinung“ der systemrelevanten Medienorgane des Westens:

Israel fürchtet kaum etwas so sehr wie den Sturz des ägyptischen Herrschers Mubarak – er gilt als Bollwerk gegen ein Erstarken der Islamisten. Die Sorge ist groß, dass die gesamte Region in eine Periode größter Instabilität abrutscht […]

Zitat Ende … und dem ist wahrlich nichts mehr hinzuzufügen, da eine derartige Einschätzung doch sehr klar und deutlich hervorhebt, welchem ideologischen Ursprung sie zuzuordnen ist. Solange Israel die Stabilität der Region im Sinne der Macht-, Profit- und Kontrollinteressen des Westens gefährdet, ist natürlich alles völlig anders zu bewerten und logischerweise vollkommen in Ordnung?!

Zum Thema Israel und dessen zionistisch indoktrinierte Lobby in der BRD möchte ich abschließend noch einige Dokumente anhängen, die dem AmSeL-Gedanken im Rahmen der Gegenöffentlichkeits-Arbeit per Mail zugegangen sind. Was sie glasklar dokumentieren ist nicht neu und wurde schon des Öfteren thematisiert, sollte aber immer wieder gegen die einseitige und realitätsverweigernde Pro-Israel-Propaganda positioniert werden. Es handelt sich um den Schriftverkehr zwischen der Heinrich-Böll-Stiftung („der Partei Bündnis90/Die Grünen nahestehend“ => Klick) und der JVP als Vertretung für verschiedene israelkritische jüdische Organisationen. Gegenstand der Kontroverse sind die „israelischen Filmtage“ unter dem Motto Israel im Orient – Orient in Israel (=> Klick), bei denen wieder einmal geschichtsfälschend und Fakten ausblendend eine höchst einseitige Darstellung über nach Israel eingewanderte arabische Jüdinnen und Juden (und deren Herkunftsländer) geliefert werden soll. – Es sei an dieser Stelle noch einmal daran erinnert, dass sämtliche „politiknahe Stiftungen“ in der BRD sehr eigenwillige Interpretationen des Gedankenguts ihrer Namensstifter an den Tag legen und damit vorrangig Pro-israelischer oder Pro-imperialistischer Propaganda dienen.

Mehr soll dazu von mir nicht mehr geschrieben werden. Die untenstehenden Dokumente sollten den Sachverhalt ausreichend abbilden und jedem/jeder Leserin als Grundlage für eine individuelle Meinungsbildung dienen können.

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Als Ausgangspunkt und thematische Einführung verlinke ich hier einen Offenen Brief, der am 12. Januar 2011 auf der Webseite „Schmok“ veröffentlicht wurde (=> Klick)

Offener Brief von kritischen Jüdinnen und Juden an die H.-B.-StiftungKein Filmfestival für israelische Propagandazwecke! (=> Klick)

Stellungnahme der H.-B.-Stiftung zu oben Aus meiner Sicht so ziemlich alles sagendes Schlusszitat:

Wir bieten damit viel Raum für eine kritische Debatte. Einer Delegitimierung Israels als kolonialistisch-rassistisches Projekt treten wir allerdings nach Kräften entgegen.

(=> Klick)

Antwort der kritischen Jüdinnen und Juden an die H.-B.-Stiftung (=> Klick)

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Schlusswort allgemeiner Art:

Am Ende dieses Artikels möchte ich, wie im Verlauf der Ausführungen bereits einige Male angeklungen, trotz aller Ernsthaftigkeit der behandelten Themen auf etwas hinweisen, was durch die Medienberichterstattung und auch die Internet-Diskussionen über „weit weg passierende Dinge“ anscheinend immer noch sehr gerne vergessen oder geflissentlich übersehen wird: natürlich bin auch ich dafür, Unrecht aufzudecken, wann immer und wo immer es auch passiert. Aber … dabei sollten wir jenes Unrecht, das ebenso permanent direkt vor unserer Nase und meistens auch noch zu unseren Ungunsten praktiziert wird, weder beiseiteschieben noch so tun, als wäre es nur minder bedeutsam, weil uns mit großen Erfolg ja immer wieder eingeredet wird, dass es uns „verglichen mit anderen Ländern und Völkern“ doch nach wie vor relativ gut ginge.

Dem möchte ich hier und jetzt nur die Frage gegenüberstellen, ob es wirklich die bessere Herangehensweise sein kann, wenn man wartet, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist? Was derzeit in politischer, wirtschaftlicher und leider auch gesellschaftlicher Hinsicht bei uns abgeht, ist verglichen damit, wie es vor Einführung der neoliberalen und globalistischen Heilslehre mal gewesen war, doch wahrlich schlimm genug und lässt es mehr als nur illusorisch erscheinen, dass es ohne aktives Eintreten dafür jemals aufgehalten werden könnte. Noch passieren die „wirklich schlimmen Dinge“ in anderen Teilen der Welt, aber wir müssen begreifen, dass unsere Gesellschaft, im Gegensatz zu den Staaten, in denen die Lunte jetzt kurz vor dem Pulverfass angelangt ist, keinerlei Erfahrung mit und „Talent für“ den ultimativen Existenzkampf besitzt, da ihr dies alles über die letzten 65 Jahre sukzessive aberzogen wurde.

Deshalb – nur als ein aktuelles Beispiel unter vielen – empfehle ich Ihnen, auch einmal bei meiner ebenso lieben wie aktiv aufklärenden Freundin und Kollegin Josephine vorbeizuschauen, die sich in einem Artikel dem aktuellen „bundesrepublikanischen Knackpunkt-Thema in Sachen Demokratie und Stimmbürger angenommen hat.  (Stuttgart21 => Klick).

Denken wir auch an die Furcht der Eliten (=> Klick) und daran, dass sie keine Mittel scheuen werden, um den „Endkampf“ trotz eines erstaunlich stark aufbrandenden Widerstands unterschiedlichster Art in ihrem Sinne erfolgreich zu gestalten … mehr sollte man wirklich nicht wissen und beachten müssen, um begreifen  zu können, worauf es ankommt!

13 Responses to Pulverfass Nahost vor dem Hintergrund des ägyptischen Massenaufstands

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  2. hans-im-glueck says:

    Damit weder wir hier noch andere irgendwo in die Gefahr geraten, von „wohlmeinenden“ Abgesandten des Kapitals „übernommen“ zu werden, sollten wir uns wirklich bald mal um die allseitige Ausformulierung einer echten Alternative zum Profitismus/Meudalismus etc. kümmern.

    Es wird Zeit, die vielen guten Ansätze und Konzepte, von Bernd Senf bis Andreas Popp, von Albrecht Müller und Wolfgang Lieb bis Heiner Flassbeck etc.pp. mal zu einer „Idee von einer neuen Gesellschaft“ zu vereinen.

    Dabei sollten wir vielleicht versuchen, den Fehler zu vermeiden, an dem die vergangenen 30 Jahre gekrankt hatten: dem Primat der Wirtschaft über die Politik.

    Die Wirtschaft und die ganze Gesellschaft sollten wieder für die (Masse der) Menschen da sein, und nicht umgekehrt.

    Der Mensch als geistiges Wesen, bestehend aus Körper, Geist und Seele, sollte im Mittelpunkt stehen (aber nicht, damit man ihn, wie bisher, von allen Seiten möglichst bequem in den Hintern treten kann).

    Wer macht den Anfang?

    • Adalbert Naumann says:

      @h-i-g

      Vielen Dank für den Beitrag, der sich erfreulicher Weise schwerpunktmäßig auf das „allgemeine Schlusswort“ bezieht. Dabei ist Ihren prinzipiellen Denkansätzen und Argumenten zweifelsohne beizupflichten. Das Problem, dem vorgeschlagenen Weg auch mit Aussicht auf Erfolg zu folgen, liegt jedoch in zwei Faktoren begründet, die man bei aller Begeisterung für innovative Ideen nicht ganz außer Acht lassen sollte:

      1.) um aus guten Ideen auch Konzepte zu machen, die von einer ausreichenden (für das Erzwingen einer politischen Durchsetzung derselben erforderlichen) Mehrheit der Gesellschaft angenommen und mitgetragen werden, ist mehr Gemeinsamkeit (sprich: konstruktive Kooperation auf Augenhöhe) erforderlich. Hier besteht leider immer noch ein erheblicher Mangel an für Breitenwirkung sorgende Kooperationen der angeführten „Experten“ mit engagierten Leuten an der gesellschaftlichen Basis … und soweit ich das im Rückblick beurteilen kann, hat sich auf dieser Ebene in den letzten Jahren auch erschreckend wenig getan, sodass es leider nicht möglich erscheinen kann, dass sich in dieser Hinsicht in angemessen kurzer Zeit etwas ändern könnte. – Aber noch wichtiger ist …

      2.) sich Gedanken um ein Wirtschafts- und Gesellschaftssystem der Zukunft zu machen, in dem die Gewichtung zwischen Mensch und Wirtschaft wieder auf ein gesundes und angemessenes Niveau zurückgeführt werden könnte, ist aus meiner Sicht das typische Beispiel für „den zweiten Schritt vor dem ersten, unabdingbaren machen zu wollen“. Damit möchte ich nun nicht behaupten, dass es keinen Sinn machen würde, sich eingehend Gedanken darüber zu machen, aber es ist nun einmal so, dass für die Umsetzung derartiger Ideen zuallererst dem herrschenden und ausschließlich kapitalgesteuerten politischen System eine unmissverständliche Abfuhr zu erteilen wäre. Ohne diesen elementaren Ansatz zu beherzigen, wird sich keine noch so gute Idee jemals in die Praxis umsetzen lassen. Das gilt bekanntlich für alle Ideen und Konzepte, deren Verwirklichung auf einer „gesetzgeberischen Implementierung“ basieren müssen … also de facto alles, was es an Problemen speziell in „unserem Land“, letztlich aber in allen „westlichen Demokratien“ zu überwinden gilt, die von den „politischen Verantwortlichen“ aufgrund vorgeschobener „alternativloser Sachzwänge“ geschaffen wurden.

      Insofern würde ich mich freuen, wenn Sie (oder andere Leser/innen) sich zu diesem (zu einem nicht unerhablichen Teil selbstgemachten!) „Gefangenen-Dilemma“ Gedanken machen und gegebenenfalls auch dafür Lösungsvorschläge unterbreiten würden. – Als Überleitung zu meiner Antwort auf den Kommentar von Tony Katz muss und möchte ich aber schon einmal vorausschicken, dass es aus meiner Sicht eher wenig bis absolut gar nicht sinnvoll ist, diesen Umschwung im Denken, Fühlen und Handeln der Menschen auf dem Umweg über parteipolitische Alternativen erreichen zu wollen … gerade hier ist das von den Alliierten (den „angloamerikanisch dominierten, westlichen Siegermächten“) und ihren „deutschen Verbündeten“ eingerichtete politische Parteiensystem zu sehr auf Machterhalt ausgerichtet und lässt sich nicht „mal eben so qua Wahlentscheidung“ aus den Angeln heben. Da gilt es weit mehr als „nur“ die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen, die eine der vielen Maßnahmen ist, um eine „politische Revolte von unten“ zu verunmöglichen.

      Dennoch … nochmals vielen Dank und beste Grüße.

  3. Tony Katz says:

    Sehr angenehm zu lesen hier (Überblick über Äygpten). Zu Hans im Glück: das sehe ich genauso als Problem, in meinen Worten: wir brauchen Politiker für die Bürger, nicht Politiker als Kasperle für Lobbyisten, Konzerne und Millardäre.
    Es gibt ein sehr angenehmes Modell und eine Partei dazu die ein Programm aufgestellt hat a) zur Mäßigung der Wirtschaft (der Mensch wieder an die 1. Stelle) und zur Mäßigung der Politiker (der Bürger wieder an die erste Stelle), ein Heise Reporter hat folgendes kompakte Interview veröffentlicht:
    http://www.heise.de/tp/r4/artikel/34/34089/1.html

    • Adalbert Naumann says:

      @ Tony Katz

      Auch Ihnen vielen Dank für den Kommentar. Nachdem ich mir Ihre Seite und das verlinkte Interview angeschaut habe, darf ich zunächst einmal festhalten, dass ich gedanklich vollkommen und argumentativ weitestgehend mit Ihnen übereinstimme. Die maßgebliche Einschränkung meiner Zustimmung habe ich in der Antwort auf den Kommentar von „Hans-im-Glück“ bereits angeführt und davon vermag ich auch nach dem Lesen des sehr interessanten Interviwes auf Telepolis nicht abzurücken. Dabei möchte ich noch nicht einmal geflügelte Worte nach Art von „der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert“ oder gar die nachvollziehbare (und leider ausnahmslos in fatalster Weise ernüchternde) Entwicklung vorausgegangener „politischer Alternativen“ anführen, sondern schlicht und ergreifend auf die Realität „unseres Landes“, der EU und de facto aller „westlicher Demokratien“ verweisen.

      Auch wenn es zweifelsohne ein guter Ansatz wäre, wenn man die ddp in die Lage versetzen würde, nicht nur die Tauglichkeit ihrer Konzepte, sondern auch ihre uneingeschränkte Glaubwürdigkeit unter Beweis zu stellen … und das wenigstens nach dem Prinzip, dass man nichts einfach so als falsch oder unrealisierbar abtun darf, sondern dazu beitragen sollte, dass die „Thesen“ in der versprochenen Art und Weise in die Praxis umgesetzt werden können. Doch grundsätzlich ist die „Vermarktung innovativer und ausschließlich dem Gemeinwohl gewidmeter politischer Ideen“ von derselben düsteren Realität überschattet, die auch jedes andere ernstgemeinte Engagement erschwert (das ist nicht in erster Linie die parteipolitische Oligarchie, sondern die erschreckende politische und „staatsbürgerliche“ Unmündigkeit/Lethargie eines Großteils der Gesellschaft).

      Insofern wäre insbesondere den „überzeugten Nicht- und sonstigen Protestwählern“, die in den vergangenen Wahlen unbestreitbar die „Mehrheitsmeinung“ repräsentierten, eindringlich anzuraten, sich einmal mit dem Programm der ddp auseinanderzusetzen und es vor allem mit dem zu vergleichen, was von den „etablierten Parteien“, zu denen man in vielen Bereichen leider auch die Linkspartei rechnen muss, als Politik „fürs Volk“ abgeliefert wird. Könnten sie sich, ergänzt um den einen oder anderen überzeugten Wähler, dazu durchringen, durch die Wahl dieser Alternative einen Politikwechsel mit zu ermöglichen, könnte die Partei in der Tat in einer Größenordnung in die Parlamente einziehen, welche ihr die angestrebten Gestaltungsmöglichkeiten an die Hand geben würde … und dann wäre für sie die „Stunde der Wahrheit“ gekommen, ob das Programm nun hält, was es verspricht, oder ob die Partei am Ende vielleicht doch nur denselben Weg einschlagen würde, wie ihre „Vorgängerinnen“. Zu verlieren hätten die Wählerinnen und Wähler angesichts des Ist-Zustands in der BRD definitiv nichts, aber ich zweifle daran, dass bei unseren Mitmenschen so viel Vernunft und Verantwortungsbereitschaft vorhanden ist, um diesen an sich so simplen Plan in die Tat umzusetzen.

      Bevor ich – aus Überzeugung – eine Unterstützung der ddp ins Auge fassen und ggf. in entsprechender Form für ihre Positionen eintreten kann, werde ich ihr Programm zunächst eingehend prüfen und auch weiter beobachten müssen, wie sich ihre Außendarstellung entwickelt … qua Verlinkung, die ich in Ihrem Kommentar zugelassen habe, haben die Leser/innen aber bereits die Möglichkeit, sich selbst ein Bild davon zu machen.

      In diesem Sinne – mit nochmaligem Dank für Ihren Diskussionsbeitrag –
      beste Grüße

  4. bl says:

    Ich bin mit Ihren letzten Beiträgen vollkommen einverstanden. Und wie Sie wissen, denke ich auch, dass die Vergangenheit verstanden werden muss, wenn man sie lossein will – und ich rede nicht nur von der Nazivergangenheit, aber die besonders. Letztendlich ist die Geschichtsschreibung eine endlose Aneinanderreihung von Schlachten, Herrschern, Macht und Gier. Das jeweilige Volk sind die Bauern beim Spiel, die geopfert werden. Genau wie es heute immer noch ist. Aber offensichtlich reicht es für Viele immer noch nicht, das Spiel zu durchschauen…

    Es stimmt zwar, dass die Systemmedien bloße Propaganda verbreiten, aber das eigenständige Informieren und Denken ist ja nicht verboten. Leider muss ich feststellen, dass nicht wenige Deutsche sich so verhalten, als ob es das wäre.

    Und was die „Geheimhaltung“ betrifft, so ist auch diese nicht so geheim. Eigentlich ist alles offensichtlich. Nur sind einige Dinge nicht nur „geheim“, sondern auch mit einem Tabu belegt. Das macht die öffentliche Diskussion fast unmöglich. Aber grundsätzlich ist im Bewusstsein nichts geheim und man muss nur sich selbst vertrauen – sich auch trauen – dort zu forschen. Außerdem ist ja schon genug öffentlich, dass es auch der … Scheueste sehen könnte, wenn er es denn wollte.

    Ich habe vor einiger Zeit einen Artikel von Vimal Thakar veröffentlicht, den ich jedem empfehlen würde: „Das Erwachen zur totalen Revolution.“ Vimala Thakar ist inzwischen gestorben und nebenbei bemerkt, keine der Frauenbefreiungszeitungen hat dies auch nur erwähnt (a propos Qualität der Presse). Also ohne (individuelles) radikales Umdenken ist keine Veränderung möglich. Ich würde sagen, wir alle brauchen diese totale Revolution!

    Die Ägypter sind sehr mutig und riskieren Leib und Leben, um die unwürdigen Zustände abzuschaffen, denn der vom Westen gestützte Diktator wird nicht freiwillig abtreten. Ich hoffe nur, die Ägypter geben nicht auf – für sich selbst nicht und auch für uns nicht! Wenn man diese Karte betrachtet, ist es auch höchste Zeit für eine Rebellion: Aber das wäre es bei uns auch. Die Rolle, die „unsere“ Politiker einmal wieder spielen, ist extrem verabscheuungswürdig. Hassen wir uns so sehr, dass wir solche Politiker wählen?

    Der Rebell ist die einzige Hoffnung für die Zukunft der Menschheit!

    • Adalbert Naumann says:

      Hallo bl,

      vielen Dank für Ihren Kommentar und den ausgesprochen interessanten Link zum Kollegen „Lupo cattivo“ … leider ist hier wieder einmal ein undefinierbares Problem aufgetreten und der Beitrag im Spam-Filter gelandet. Nun ja, wie dem auch sei, jetzt ist er da, wo er hingehört 😉

      Auch wenn der verlinkte Artikel leider in Englisch und ein wenig zu lang ist, um ihn mal eben so zwischendurch zu übersetzen, so zeigt er doch sehr deutlich auf, was man als frei und im Sinne der von oben befohlenen „politischen Korrektheit“ aus Überzeugung quer denkender Mensch hinter den „terroristischen Machenschaften“ (nicht nur) im Nahen Osten vermuten kann, wenn nicht sogar muss. Zwar ist es vollkommen korrekt, dass selbst die bestgehütetsten Geheimnisse der Strippenzieher nicht mehr völlig vor öffentlichem Zugriff sicher sind, aber das ist ihnen (noch) relativ egal, weil sie die Medien sowie die Wissenschafts- und Politmarionetten – und damit die „öffentliche Meinung“ nach Belieben manipulieren und in ihrem Sinne instrumentalisieren können. Eben das altbekannte Spiel der selbsternannten Machteliten, über das wir uns schon reichlich ausgetauscht und dabei weitreichende Übereinstimmung erzielt haben. Dasselbe kann ich auch in Bezug zum heutigen Beitrag konstatieren … wobei ich hinter die „Rebellion“ noch ein winziges Fragezeichen setzen muss und möchte. Nicht weil ich da anderer Meinung wäre, sondern weil zu viele (die überwiegende Mehrheit der) Menschen eine falsche Vorstellung davon haben, wie diese Rebellion aussehen würde (oder müsste, um erfolgversprechende Wege zu eröffnen).

      Letzten Endes läuft es dabei aber immer wieder auf dasselbe hinaus … man muss im eigenen Haus umfassend für Ordnung sorgen und geheim gehaltene Verbrechen und Lügen hinter der Fassade der konzertierten Geschichte aufdecken … und dann muss sich die Gesellschaft damit auseinandersetzen … natürlich ist es immer noch absolut illusorisch anzunehmen, dass es jemals so weit kommen könnte, aber man muss es den fremdbestimmten und gehirngewaschenen Mitmenschen trotzdem immer wieder ins Gesicht sagen.

      Für Ägypten und seine Bevölkerung hoffe ich vor allem, dass ihre berechtigte Rebellion gegen das Mubarak-Regime nicht von den einschlägig bekannten Akteuren der „westlichen Geheimdienste“ gekapert und ins Gegenteil dessen verkehrt werden wird, was die Menschen mit Fug und Recht fordern. Auch in Bezug auf dieses „Hijacking von Rebellionen/Revolutionen“ ist die Welt- und Menschheitsgeschichte voll der Beispiele … aber wie Sie schon sehr treffend dargelegt haben …

      Aber grundsätzlich ist im Bewusstsein nichts geheim und man muss nur sich selbst vertrauen – sich auch trauen – dort zu forschen. Außerdem ist ja schon genug öffentlich, dass es auch der … Scheueste sehen könnte, wenn er es denn wollte …

      Das lasse ich jetzt mal so stehen und verkneife mir ausnahmsweise eine realistische Einschätzung des Selbstvertrauens unserer Mitmenschen.

      Bleiben wir weiterhin wachsam und bereit dazu, die Wahrheit beim Namen zu nennen, wenn die Zeichen der Zeit es von uns verlangen!

      Nochmals danke für den Beitrag und beste Grüße

      P.S.: danke auch für den Beitrag von Ihrer Seite … http://www.quantumunlimited.org/vem/deutsche-artikel-mainmenu-81/948-das-erwachen-zur-totalen-revolution … den ich ebenfalls für wichtig und äußerst lesenswert halte!

  5. bl says:

    Jetzt ist es passiert! Die ägyptische Diktatur setzt die brutalen Mittel ein – sicher unter dem Beifall der westlichen „Wertegemeinschaft“, derweil die Bundeskanzlerin in Israel auf den Knien rutscht. Ich habe mir vor kurzem überlegt, was wir im Westen eigentlich für Werte haben und ich habe keinen einzigen gefunden, also keinen einzigen Wert, der mehr wäre als ein Lippenbekenntnis.

    Aber wir befinden uns ja im „Endkampf“, in der Apokalypse oder wie immer man diese Zeit nennen will. Die Ereignisse beschleunigen sich dramatisch und das Unterste wird nach Oben gekehrt. Ich denke deshalb, dass 2011 und 2012 schwierige Jahre werden und dass auch Europa nicht verschont werden wird. Deshalb noch eine kurze Leseempfehlung, die ich in diesen Zeiten für hilfreich halte:

    Sie haben recht mit Ihren Bedenken über „Rebellion“ bzw. „Revolution“. Wahrscheinlich wird es von Vielen eher falsch verstanden. Aber man kann jetzt wirklich nicht mehr auf alle Befindlichkeiten achten. Der sogenannte „gesunde Menschenverstand“, der so gerne zitiert wird, ist meistens absoluter, indoktrinierter Blödsinn.

    Und als Schluss noch eine interessante Site, die zur Zeit über die Herrscher dieser Welt berichtet. Ich habe keine Ahnung, was ich davon halten soll… . Teilweise sind die Artikel auch ins Deutsche übersetzt. Ganz oben gibt es eine Sprachleiste. Das sind jedenfalls die ultimativen Verschwörungstheorien, die vielleicht gar keine sind…

  6. bl says:

    Der 2. Link hat nicht funktioniert. Hier nocheinmal:

    http://projectavalon.net/

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